Selbstverletzendes Verhalten
Informationen für queere Jugendliche

Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge

Warum ist Selbstmitgefühl so wichtig?

Laut der Forscherin Kristin Neff, die das Konzept des Selbstmitgefühls intensiv untersucht hat, ist Selbstmitgefühl besonders wirkungsvoll, weil es uns ermöglicht, uns selbst mit der gleichen Freundlichkeit zu begegnen, die wir anderen entgegenbringen würden. Ihre Studien zeigen, dass Menschen, die Selbstmitgefühl praktizieren, widerstandsfähiger gegenüber Stress und negativen Gefühlen sind und weniger zu Selbstkritik neigen. Wenn du dir selbst mit Mitgefühl begegnest, verringert das die Tendenz, in Spiralen von Scham und Selbstvorwürfen zu geraten – zwei Gefühle, die oft zu selbstverletzendem Verhalten führen. Neff fand heraus, dass Selbstmitgefühl eine wirksame Methode ist, um mit schmerzhaften Emotionen umzugehen, weil es uns daran erinnert, dass Leiden ein Teil des Lebens ist und wir uns deshalb nicht selbst verurteilen sollten.

Selbstmitgefühl fördert:

  • Weniger Selbstkritik: Anstatt sich für Fehler zu verurteilen, begegnen sich Menschen mit mehr Verständnis und Akzeptanz.
  • Erhöhte emotionale Resilienz: Studien zeigen, dass Menschen mit hohem Selbstmitgefühl besser mit Herausforderungen und emotionalem Stress umgehen können.
  • Gesünderes Selbstwertgefühl: Durch Selbstmitgefühl erlangt man ein stabileres und realistischeres Selbstbild, das weniger von äußeren Einflüssen abhängt.

Selfcare (Selbstfürsorge) in den queeren Communities

Selfcare hat eine lange Geschichte in marginalisierten Gemeinschaften, insbesondere in der Black Community, wo sie als politischer Akt entwickelt wurde, um gegen systemische Unterdrückung anzukämpfen. Auch für queere Menschen ist dieser Ansatz wertvoll, um ihre psychische Gesundheit zu pflegen und sich gegen Diskriminierung zu schützen. Es geht darum, sich selbst als wertvoll zu betrachten und dafür zu sorgen, dass man die Unterstützung bekommt, die man verdient und sich selbst zugesteht.

Selbstfürsorge bedeutet hier nicht nur, sich selbst zu helfen, sondern auch, sich gegenseitig in der Gemeinschaft zu unterstützen und durch gegenseitige Ermutigung und Solidarität sichere Räume zu schaffen. Selfcare für queere Menschen umfasst auch die bewusste Entscheidung, sich gegen Normen und Erwartungen zu wehren, die nicht ihrem wahren Selbst entsprechen, und stattdessen sich selbst und anderen zuzugestehen, dass Gesundheit und Wohlbefinden im Fokus stehen.

Für queere mehrfach diskrimminierte Menschen und deren Communities ist Selbstfürsorge ein besonders wichtiger Akt der Selbstakzeptanz und des Widerstands gegen eine Welt, die oft nicht auf ihre Bedürfnisse eingeht. Selbstfürsorge bedeutet, auf sich zu achten, und Dinge zu tun, die das Wohlbefinden fördern. Besonders in einer Gesellschaft, die queere Identitäten oft marginalisiert, ist es für queere Menschen wichtig, sich selbst und einander zu stärken.

Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge im Alltag

  • Mit dir selbst reden, wie mit einer engen befreundeten Person: Wenn du dich selbst kritisierst oder verurteilst, frage dich: „Wie würde ich mit einer Person sprechen, mit der ich gut befreundet bin und die dieselben Gefühle durchmacht?“ Versuche, dir selbst genauso liebevoll und verständnisvoll zu begegnen. Statt zu sagen: „Ich bin so dumm, weil ich das gemacht habe“, sage: „Es war ein schwieriger Moment, und ich habe mein Bestes gegeben.“
  • Tagebuch schreiben – ohne Urteil: Schreibe deine Gedanken und Gefühle auf, ohne sie zu bewerten oder zu verurteilen. Das hilft dir, deine Emotionen besser zu verstehen und dir selbst den Raum zu geben, sie zu fühlen, ohne dich dafür zu schämen. Du kannst dir dabei auch selbst positive Botschaften schreiben, wie: „Ich darf Fehler machen“ oder „Ich verdiene es, gut zu mir selbst zu sein.“
  • Erlaube dir Pausen und Zeit für dich: In unserer leistungsorientierten Gesellschaft wird oft erwartet, dass wir immer „funktionieren“. Aber Selbstfürsorge bedeutet auch, dir bewusst Zeit zu nehmen, um dich auszuruhen und deine Batterien aufzuladen. Gönne dir Pausen, ohne dich dafür schuldig zu fühlen. Es ist okay, auch mal „Nein“ zu sagen und dich zurückzuziehen, wenn du Zeit für dich brauchst.
  • Grenzen setzen und deine Bedürfnisse anerkennen: Ein wichtiger Teil von Selbstfürsorge ist es, deine eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu respektieren. Wenn du merkst, dass bestimmte Menschen oder Situationen dir nicht guttun, hast du das Recht, Grenzen zu setzen. Erkenne an, dass deine Bedürfnisse wichtig sind und dass es in Ordnung ist, Prioritäten zu setzen, die dein Wohlbefinden schützen.
  • Selbstmitgefühl üben: Viele von uns haben einen inneren Kritiker, der uns hart und abwertend beurteilt. Übe, diesen inneren Kritiker zu entlarven und durch Mitgefühl zu ersetzen. Statt „Ich bin nicht gut genug“ kannst du dir selbst sagen: „Ich mache Fortschritte und wachse an meinen Herausforderungen.“ Das stärkt dein Selbstwertgefühl und hilft dir, in schwierigen Momenten sanfter mit dir selbst umzugehen.
  • Verbindungen suchen und teilen: Selbstfürsorge bedeutet auch, dich mit anderen Menschen zu verbinden, die dir guttun und die dich verstehen. Sprich mit Freund*innen oder vertrauten Personen über das, was du durchmachst. Oft kann es unglaublich heilend sein, die eigenen Gefühle laut auszusprechen und zu merken, dass man nicht allein ist. Der Austausch mit Menschen, die dich wertschätzen, stärkt dein Gefühl der Zugehörigkeit.

Für queere Menschen ist Selbstfürsorge ein besonders wichtiger Akt der Selbstakzeptanz und ein Weg, sich selbst zu stärken – gerade in einer Gesellschaft, die oft nicht auf ihre Bedürfnisse eingeht oder sie sogar aktiv ablehnt. Indem du auf dich selbst achtest und dich so behandelst, wie du es verdienst, machst du einen wichtigen Schritt hin zu mehr emotionaler Stärke und Widerstandskraft. Selbstfürsorge ist kein egoistischer Akt, sondern eine Notwendigkeit, um gesund zu bleiben und dich gegen die Belastungen des Alltags zu wappnen.

Disclaimer

Die Inhalte dieser Seite dienen ausschließlich Informations- und Aufklärungszwecken. Sie sind keine medizinische, psychologische oder therapeutische Beratung und ersetzen nicht die Diagnose oder Behandlung durch ausgebildete Fachpersonen. Unser Ziel ist es, aufzuklären und Hilfsangebote sichtbar zu machen, um Wege aus der Selbstverletzung zu finden. Wenn du Fragen oder Sorgen bezüglich deiner physischen oder psychischen Gesundheit hast, wende dich bitte an eine Ärztin / einen Arzt, Therapeut*in oder eine andere qualifizierte Fachperson. Nur diese können eine fundierte Diagnose stellen und dir geeignete Behandlungsmöglichkeiten aufzeigen. In akuten Notfällen oder Krisensituationen rufe bitte sofort den Notruf 112 an oder kontaktiere eine Krisenhotline.